Forschung und Innovation
Der Weisse Turm präsentiert bahnbrechende Fortschritte in den Bereichen computergestütztes Design, digitale Fertigung, Tragwerksplanung und Materialwissenschaft, die alle auf nachhaltigeres Bauen abzielen. Zu den technischen Innovationen gehören die strukturelle Verwendung von 3D-gedrucktem Beton mit dünnwandigen, material-effizienten Komponenten sowie eine modulare Bauweise für eine zukünftige Wiederverwendung. Die Innovationen in diesen Forschungsbereichen werden das Bauwesen grundlegend verändern und den Weg für nachhaltigere Baupraktiken ebnen. Diese Entwicklungen in der Architektur wurden durch Zusammenarbeit mit Experten aus Architektur, Tragwerksplanung, Materialwissenschaften und Robotik ermöglicht, die alle ihre Innovationen einbrachten.
3D-Betondruck
Beim 3D-Betondruck trägt ein Roboterarm nacheinander dünne Schichten weichen Betons durch eine Düse auf. Das Material ist weich genug, um zu verbinden und durchgehende, homogene Bauteile zu bilden, härtet aber schnell genug aus, um die aufeinanderfolgenden Schichten zu tragen. Das gedruckte Material basiert auf einer Mehrkomponententechnologie, die weissen Beton mit einem Stabilisator und einem Beschleuniger für eine schnelle Aushärtung kombiniert. Dies ermöglicht die Herstellung von Freiform-Elementen mit großen Überhängen. Das verwendete 3D-Betonfilament wird in 25 mm breiten und 8 mm hohen Schichten aufgetragen und bildet so eine durchgehende Druckbahn von etwa 5000 Metern pro Säule.
Jeder Säulenquerschnitt besteht aus drei Filamenten: Das äussere Filament weist ihre ornamentale Textur auf, die mittlere Schicht enthält die umhüllende Bewehrung und das innere Filament bildet Hohlkanäle für die vertikale Hauptbewehrung. Durch den Einsatz robotergestützter Betonextrusion und den Wegfall von Schalungen wird der Beton präzise und nur dort aufgetragen, wo er benötigt wird, was zu einer Reduzierung des Materialverbrauchs um 40 % im Vergleich zu herkömmlichen Giessverfahren führt.
Automatisch integrierte Bewehrung: Zwei Roboter im Tandem
Der Weisse Turm ist weltweit das erste mehrgeschossige Gebäude mit volltragenden 3D-gedruckten Säulen, deren Stahlbewehrung während des Druckprozesses integriert wird. Bei dem neu entwickelten 3D-Betondruckverfahren arbeiten zwei Roboter zusammen: Einer trägt den Beton schichtweise zu komplexen Freiform-Elementen auf, während der andere gleichzeitig die Bewehrung zwischen diesen Schichten einfügt. Nach dem Druck der dünnwandigen Hohlelemente wird die Längsbewehrung in vertikale Kanäle eingelegt und anschliessend verfüllt. Dieses robotergestützte Fertigungsverfahren ermöglicht erstmals den vollständig tragfähigen Einsatz von 3D-gedrucktem Beton - eine absolute Weltpremiere.
Demontage und Wiederverwendung
Mit Fokus auf Kreislaufwirtschaft und Ressourcenwiederverwendung ist Tor Alva als vollständig rückbaubare Konstruktion konzipiert. Dies ermöglicht es, den Turm nach seiner fünfjährigen Nutzungsdauer in Mulegns zu demontieren, zu versetzen und an neuem Standort wiederaufzubauen – und sichert so seine Anpassungsfähigkeit und Weiterverwendung in anderem Kontext.
Jede tragende Säule besteht aus drei Elementen — der Mittelsäule, dem Sockel und dem Kapitell. Die Mittelsäule wird 3D-gedruckt, während Kapitell und Sockel in einem neuartigen Verfahren hergestellt werden, bei dem 3D-gedruckte Schalungen mit Gussteilen aus innovativem, nachhaltigem Beton kombiniert werden. Die Kapitelle und Sockel aufeinanderfolgender Säulen werden mittels lösbaren Trockenverbindungen verschraubt. Dieser neuartige Fertigungsansatz vereint digitale Fertigungstechnologien mit nachhaltigen Baumaterialien und ermöglicht so eine zirkuläre Bauweise.
Computational Design
Der Weisse Turm wurde vollständig durch Code generiert – ohne manuelles Zeichnen oder Modellieren. Jedes Detail ist parametrisch programmiert, was einfache Anpassungen, immersive Visualisierungen, Fertigungssimulationen und die Einhaltung der Vorgaben des robotergestützten 3D-Drucks ermöglicht. Das semantische digitale Modell optimiert Materialeinsatz und Tragwerksleistung und integriert hochauflösende technische Details wie Elektro- und Beleuchtungssysteme, um Betonarbeiten vor Ort zu minimieren.
Das parametrische 3D-gedruckte Säulendesign besteht aus drei dünnen Schalenschichten für verbesserte Funktionalität: einer ornamentalen Oberflächenschicht, einer tragenden Mittelschicht sowie einer Schicht für Bewehrungstaschen. Ein neuartiger, fertigungsorientierter Design-Workflow automatisiert die präzise Generierung von robotischen Druckpfaddaten für diese Schichten. Bewehrungsdaten sind direkt in den digitalen Workflow integriert.
Massenindividualisierung
Dieser computergestützte Designprozess ermöglicht Massenindividualisierung. Ein einziger Code wurde verwendet, um nicht nur die unterschiedlichen Säulenformen auf den verschiedenen Ebenen des Turms zu entwerfen, sondern auch, um jede Säule mit einem einzigartigen algorithmischen Ornamentmuster zu verzieren.